Thorsten Riesner zum Haushaltsentwurf 2021

Thorsten Riesner

Der Haushaltsentwurf 2021 ist ein Haushalt der vergebenen Chancen.

  1. Inhaltlich, weil keine Antworten auf das existenzielle Thema Klimawandel gegeben werden.
  2. Aus der Finanzsicht, weil keine Antworten auf zukünftige finanzielle Entwicklungen der nächsten Jahre gegeben werden.

Zunächst zu dem ersten Punkt:

Wir haben uns vor einigen Jahren gemeinsam strategische Ziele für die Stadt Kelsterbach erarbeitet, die jedes Jahr im Haushalt aufgeführt sind. Als eines von vier Zielen ist dort die nachhaltige Stadtentwicklung und der Erhalt der Lebensgrundlagen festgelegt. Leider auch seit mehreren Jahren steht unter diesem Punkt, dass auf Basis der Ziele „nunmehr operative Ziele und Kennzahlen für die Handlungsschwerpunkte in den nächsten Jahren erarbeitet werden“ sollen. Papier ist geduldig. Seit 2016 steht das da.

Vor einem Jahr hat die WIK vor dem Hintergrund einer angestrebten Klimaneutralität der Stadt Kelsterbach im Jahre 2035 einen Haushaltsantrag gestellt. In dem wurden Mittel für die Überarbeitung des städtischen Klimaschutzkonzeptes aus 2015 sowie zur Beratung und Unterstützung der Bürger und des Gewerbes bezüglich klimafreundlichen Handelns beantragt. Außerdem wurden kleinere Investitionsmittel gefordert, um weiterhin sinnvolle, im Klimaschutzkonzept bereits aufgeführte energetische Sanierungen an städtischen Liegenschaften umzusetzen. Daraufhin hatten die Fraktionen von SPD und CDU (andere Fraktionen waren leider nicht anwesend) einen Änderungsantrag beschlossen, in dem der Magistrat beauftragt wird,

  • ein Handlungskonzept für eine mögliche Klimaneutralität bis 2035 zu erstellen,
  • Maßnahmen für energieintensive Bereiche aufzuzeigen
  • und mögliche interkommunale Aktivitäten herauszufinden.

Passiert ist seitdem: Nichts. Keine Berichte, keine Aktivitäten wurden bekannt. Dies sagt einiges oder vielleicht sogar alles dazu aus, wie die Prioritäten des Bürgermeisters bei diesem für uns alle wichtigen Thema sind. Und so richtig interessiert hat es die Fraktionen der SPD und der CDU offenbar auch nicht, was mit ihrem Änderungsantrag vom letzten Jahr eigentlich passiert.

Und das setzt sich im diesjährigem Haushaltsentwurf fort.

  • Kelsterbach benötigt dringend eine Person oder Stelle, die sich systematisch um Klimaschutzmanagement kümmert. Im Haushaltsentwurf ist sie nicht vorgesehen. Solch eine Stelle wird zu 60-70% von Bund und Land gefördert.
  • In §13 des Klimaschutzgesetzes ist festgelegt, dass die Träger öffentlicher Belange bei ihren Planungen und Entscheidungen die Erreichung der Klimaneutralität und die festgelegten Ziele der CO2-Reduktion zu berücksichtigen haben. Das heißt, alle Planungen und Entscheidungen auch der Stadt Kelsterbach müssen auf ihre Klimaverträglichkeit geprüft werden.
  • Die Stelle für Klimaschutzmanagement müsste ein wirkliches Klimaschutzkonzept erstellen und eine Planung für die konsequente Umsetzung der Maßnahmen erarbeiten. Die Mittel hierfür hätten im Haushaltsentwurf 2021 enthalten sein müssen. (eigentlich schon viel früher) Als Basis für ein Konzept könnte die Ausarbeitung aus 2015 dienen, die sich im Detail allerdings überwiegend lediglich mit den städtischen Liegenschaften auseinandersetzt. Nicht einmal die dafür nötigen Mittel werden eingeplant.

Es geht aber um mehr. Als Stichworte seien genannt:

  • Erstellung einer CO2-Eröffnungsbilanz: wir wissen gar nicht, wo wir stehen. Für einen Reduktionsplan ist es aber wichtig zu wissen, wo der Anfangswert liegt. Hier müssen die CO2-Werte für Mobilität, Wärme und Strom ermittelt und benannt werden. Und zwar für alle Emittenten in Kelsterbach. Das wäre die erste Aufgabe des Klimaschutzmanagements.
  • Für die Umsetzung eines Reduktionsplans müssten Mittel zur Beratung der Bevölkerung und der Gewerbetreibenden eingesetzt und eingeplant werden: Heizungsumstellungen stehen an; das Mobilitätsverhalten muss sich ändern.
  • Auch Fördermittel sollten von der Stadt als Mittel eingesetzt werden und fehlen im Haushalt: für die Nutzung und Erzeugung erneuerbarer Energien; für die energetische Sanierung von Gebäuden; für den Umstieg auf Elektromobilität als Übergangstechnologie.

Es gibt einige positive Ansätze in diese Richtung, aber sie wirken unkoordiniert und sind nicht Teil eines Gesamtplanes: zum Beispiel die Stelle der Nahmobilitätsbeauftragten, die mit dem letzten Haushalt beschlossen wurde. Sie wäre Teil eines umfassenden Konzeptes.

Die Planungen zur Klimainsel hingegen wirken eher so, als würde sich die Stadt auf den Klimawandel vorbereiten und versuchen die schlimmsten Auswirkungen zu mildern. Auch wichtig.

Wir können aber noch etwas zur Erreichung des 1,5°-Zieles tun. Das bestätigen Wissenschaftler. Nur die nötigen Maßnahmen werden mit jedem Jahr grausamer. Kelsterbach hat mit diesem Haushalt wieder ein Jahr verloren. Die Zeit drängt aber!

Mit der Umsetzung der elementarsten Vorschläge zur Sanierung der städtischen Liegenschaften aus dem vorliegenden und beschlossenen Konzept aus 2015 könnte so nebenbei auch viel Geld eingespart werden, jährlich. Die WIK fordert das seit Jahren, inzwischen fast seit Jahrzehnten.

Und damit bin ich beim zweiten Punkt der vergebenen Chancen: die reine Finanzsicht.

Mit dem Jahr 2021 fällt Kelsterbach finanziell gesehen auf den Stand von vor 10 Jahren und davor zurück: ein negatives ordentliches Ergebnis, das durch hohe Rücklagen ausgeglichen werden kann. In den letzten Jahren hatten wir ausgeglichene bzw. positive Ergebnisse, die Rücklagen waren zwischendurch aufgebraucht. Dies wurde erreicht durch:

  • Steigende Erträge (Gewerbesteuer, Vorteilsausgleich) auf ein stabiles Niveau mit zum Teil deutlichen, unvorhersehbaren Ausschlägen nach oben, die zur Bildung der neuen Rücklagen geführt haben. (Da war sicher auch ein wenig Glück dabei)
  • Bezogen auf das Wachstum der Stadt in Summe stabile Aufwände, die durch Zurückhaltung bei einigen Aufwandspositionen erreicht wurden, die die unvermeidlichen höheren Positionen durch das starke Wachstum der Stadt ausglichen.
  • Höhere Zuschüsse vom Land durch bessere Berücksichtigung der Schulträgerschaft bzw. Übernahme der Kosten für höhere pädagogische Standards in Kelsterbach durch das Land Hessen.

Diese Konsolidierung ist durch die Folgen der Pandemie nun gefährdet. Der Haushaltsentwurf 2021 und die mittelfristige Planung gehen aber auf diese Herausforderung kaum ein:

  • Die Gewerbesteuer wird stabil geplant, als wäre nichts geschehen. Selbst die Kämmerei und der Bürgermeister zweifeln, ob der Ansatz ok ist und bereiten uns auf einen Nachtragshaushalt vor.
  • Der Vorteilsausgleich wird ab 2022 mit hohen Werten eingeplant und steigt in der Planung in den Folgejahren auf das Vorkrisenniveau. Dieser Ansatz ist für uns überhaupt nicht nachvollziehbar. Die Verantwortlichen bei Lufthansa und Fraport rechnen frühestens in einigen Jahren mit einer Auslastung auf altem Niveau, wenn überhaupt. Ob sich das parallel sofort positiv auf den Vorteilsausgleich auswirken würde ist zudem fraglich.
  • Die einzige Anpassung an die neuen Zeiten erfolgt durch eine bereits eingerechnete Erhöhung der Grundsteuer.
  • Auf der Aufwandsseite ist keine Anpassung erkennbar.

Mit dieser optimistischen Planung wird dann ab 2022 auf dem Papier wieder ein ausgeglichener Haushalt erreicht. Alles bestens könnte man meinen. Wenn die Erträge, wie zu erwarten ist, nicht so eintreffen wie eben erläutert, dann gibt es ein großes Problem für Kelsterbach. Dann bleiben zunächst nur größere Anstrengungen zur Reduzierung der Aufwandsposten. Diese hätten bereits in 2020 beginnen müssen. Im Plan 2021 und in den Folgejahren müssten sie sich jetzt niederschlagen. Dies ist nicht passiert.

Irgendwann werden auch die Rücklagen durch die negativen Ergebnisse dann wieder aufgebraucht sein. Ein Haushaltsausgleich wird nicht mehr möglich sein.

Je früher mit einer erneuten Konsolidierung begonnen wird, um so geringer werden die Einschnitte und Auswirkungen für die Bevölkerung sein.

Übrigens eine Parallele zur eben aufgeführten Klimawandelproblematik.

Etwas weiter in die Zukunft geschaut, werden sich ab 2024/25 die Abschreibungen für die neue KTS im Ergebnishaushalt niederschlagen. Eine weitere Million für deren Ausgleich es Lösungen im Ergebnishaushalt braucht.

Hier sind Phantasie und Einsatz gefragt. Ein aus meiner Sicht positives Beispiel (nur in Bezug auf die finanziellen Auswirkungen) ist in dieser Hinsicht die Kooperation mit Rüsselsheim und Raunheim bezüglich der Ansiedlung von chinesischen Unternehmen. Es gibt eine gute Chance, dass sich dies in 10 bis 20 Jahren nennenswert auf der Ertragsseite der Stadt auswirken wird.

Ähnlich muss Kelsterbach jetzt an die Probleme herangehen: Branchen finden, die klimaverträglich expandieren und Standorte zur Ansiedlung suchen. Der Kontakt zu zukunftsfähigen Unternehmen kann mittel- bis langfristig die Lösung bringen und zusätzlich noch für attraktive Arbeitsplätze sorgen. Unabhängig von der krisenanfälligen Luftfahrtbranche.

Wer auch immer nach den Wahlen die Geschicke in Kelsterbach bestimmt. Die von mir aufgeführten Themen werden die Punkte ganz oben auf der Agenda sein.

Die WIK wird den Haushaltsentwurf für 2021 ablehnen.